aussichten: Mobiltelefone und Schutzengel
             
             
   
  
     
         
             
      MOBILTELEFONE & SCHUTZENGEL      
             
 
 
Passagiere zu fliegen - und nicht nur Container - macht mir große Freude. Und tatsächlich gibt es auch im 21. Jahrhundert noch genügend Menschen, die zumindest im günstigsten Fall eine Luftreise nicht nur als notwendiges Übel ansehen.

Aber das Fliegen bringt leider in vielen nicht unbedingt das Beste hervor. Die allgegenwärtige Hektik eines Flughafens macht manche sonst schüchterne Person zu einem rücksichtslosen Schlangenmissachter, der mit schwerem Gepäck Raum schafft, der nicht da ist, und sei der Abflug auch noch mehr als drei Stunden fern.

Einmal an Bord, frühestmöglich natürlich, bedrängen nach Eile und Adrenalinausschüttung plötzlich Enge und erzwungene Untätigkeit die Seele des Reisenden. Vor allem für die, die sich gerne als Macher und Alphatiere sehen, und vielleicht unter verdrängter Platz- oder Flugangst leiden, braucht das ein Ventil.

 

     
     

Vorher

 

     
     

Und das sind dann unsere Flugbegleiter. Stolz und mit Geschick hat der Passagier die Handgepäckbeschränkungen sowohl bei Gewicht als auch bei der Größe umgangen, und jetzt muss die Kabinenbesatzung sehen, wie sie alles verstaut bekommt. Wehe, das Großgepäck wird nicht in unmittelbarer Nähe des Besitzers untergebracht. Wutanfälle können die Folge sein. Kein Gedanke daran, dass die Beschränkungen ein schnelles Aussteigen Notfall ermöglichen sollen und schwere Verletzungen verhindern, wenn sich bei stärkeren Turbulenzen eines der Gepäckfächer öffnet und der Inhalt jemandem auf den Kopf fällt.

Abgesehen von Beschwerden lässt sich die eigene Unabhängigkeit am besten durch die Nichtbeachtung möglichst vieler Regeln an Bord demonstrieren. Ein Held, wer unbemerkt während des Rollens und kurz nach dem Start noch eine SMS verschicken kann. Was man nicht versteht, befolgt man nicht. Und – es ist doch nicht wirklich gefährlich, das eingeschaltete Handy, oder?

Empfangsbereite Mobiltelefone können elektronische Systeme beeinflussen und stören, unter anderem auch den Funk. Die Chance, dass es dadurch zu nennenswerten Vorfällen kommt, ist klein. Vielleicht eins zu einer Milliarde. Das kann doch kein Problem sein, oder?

Doch, kann es. Denn im Jahr 2010 flogen weit über zwei Milliarden Passagiere, von denen zweifellos die meisten ein Mobiltelefon besitzen. Das würde bei eingeschalteten Telefonen dann einen handybedingten Vorfall häufiger als alle sechs Monate bedeuten. Und das nur dafür, dass es im Reiseflug ohnehin keine verwendbare Verbindung gibt und das Handy nutz- und endlos ein Netz sucht. „Mein“ altes Kurzstreckenflugzeug reagierte übrigens auf hinten in der Kabine eingeschaltete Telefone gelegentlich nervös: nämlich mit einer Rauchwarnung für den Laderaum, was, da man nicht nachschauen kann, den Einsatz von Löschmittel und eine Landung auf dem nächstgelegenen Flugplatz erfordert.

Dennoch Unverständnis, wenn ein Flugbegleiter nach dem erfolgreichen Verstauen des übergroßen Handgepäcks während des Rollens das Ausschalten des Mobiltelefons fordert. Unhöflichkeiten und Gröberes sind an der Tagesordnung.

Leider sehen viele Passagiere in der Kabinenbesatzung nur schlechteres Servierpersonal, an das selbst Worte wie Danke und Bitte verschwendet wären. Schließlich bezahlt man ihnen ja auch nichts, oder?
Nur wenige nehmen sie als das wahr, was sie wirklich sind – Sicherheitspersonal, das trainiert ist, eine Fülle unterschiedlichster Situationen, von der Geburt und dem Herzinfarkt in der Stratosphäre bis zur Notwasserung, bestmöglich zu bewältigen. Schutzengel, die im Notfall als Letzte von Bord gehen, um ein vollbesetztes Langstreckenflugzeug so schnell wie möglich evakuieren zu können. Wie zum Beispiel 2005, als es einer Besatzung der Air France gelang, alle Passagiere sicher aus einem zerschellten, brennenden Airbus A340 ins Freie zu bringen. Und das trotz all des entgegen Vernunft und Vorschrift an Bord gebrachten, übergroßen Handgepäcks.

 

     
     

Nachher