aussichten: Die rote Stille
             
             
   
  
     
         
             
      DIE ROTE STILLE      
             
 
 
Afrika – dieser verwaiste, kriegszerrüttete Kontinent, den wir mit Hunger und Leid assoziieren. Nicht überall und ausschließlich, natürlich, zum Glück. Und dann gibt es auch wieder diesen unschätzbaren Reichtum in einigen, ausgewählten Regionen. Nicht die Diamantenminen. Die Tiere.

Der erste Eindruck von Namibia ist für uns die Weite, die Einsamkeit, die Stille: Schon wenige Kilometer südlich der Hauptstadt Windhuk, Pause an einer geschotterten Nebenstraße: kaum mehr ein Laut, kein Verkehr, nur der Wind, der über die wellige Landschaft und das spärliche Gras streicht.

 

     
     

 

     
     

Am Abend dann in den Bergen der Naukluft: Paviane beobachten uns. Die hoch aufragenden roten Felsen werfen lange Schatten. Klippschliefer, kleine Nagetiere, suchen im Dunkel Deckung. Ein Fluss murmelt als Begleitung zu den Stimmen der Vögel.

Ein Stück talaufwärts führt ein Tunnel aus Schilf über den Bach, der sich weiter oberhalb in einem See wie aus grünem Glas sammelt. Der Mond steht durchsichtig am Himmel, Köcherbäume säumen die Felsen. Vermutlich kann sich niemand so ganz unsere Freude vorstellen, als wir wenig später die ersten wilden Zebras sehen.

Die Dünen, ein gutes Stück weiter westlich, überraschen uns mit ihren Farben und Formen. Bald erreichen wir das kalte Meer, den nebligen Streifen Wüste, der sich schmal nach Norden zieht und als Skelettküste bekannt ist. Das Damaraland mit seinen roten Bergen, den unerwarteten Fernblicken und mehrere Jahrtausende alten Felszeichnungen verzaubert uns. Dann Etosha: Eine sich bis über den Horizont erstreckende Salzlandschaft, an deren Südrand sich unterirdisch Wasser sammelt, um an zahlreichen Wasserlöchern an die Oberfläche zu treten.

Am Abend eines staubigen Tages finden sich die Tiere hier ein, um ihren Durst zu stillen: Die Giraffen mit unterschiedlichen Techniken, um ihren Kopf auf dem schlanken Hals bis hinunter zum Wasserspiegel abzusenken. Aus dem Dunkel erscheinen Zebras, vorsichtig und in langer Reihe, eines nach dem anderen. Junge Elefanten spielen im Wasser. Ein Nashornbulle nähert sich schnaufend, aufmerksam beobachtet von einer Mutter mit ihrem Nachwuchs. Hin und wieder erscheint ein einsamer Schakal.

Auch in Europa gab es eine vergleichbare Großtierfauna, bevor der Mensch vor vielen Jahrtausenden das Eisen entdeckte und zu einem so erschreckend guten Jäger wurde. An den Wasserlöchern der Etoshapfanne kann man unwillkürlich denken, so war es gemeint, so sollte die Welt einmal aussehen. Es hat seine Gründe, dass sie das nur noch an wenigen Orten tut, und umso wichtiger ist es, diese Orte zu bewahren. Hier erhalten wir einen Eindruck davon, wie es war, bevor der Mensch begann, seinen Lebensraum umzugestalten. Das ist eine Erfahrung die man nicht vergisst, und die kein Bildband und keine Dokumentation ersetzen kann.