VIRTUELLE WELT | ||||||
Im Gegensatz zum Führerschein fürs Auto bringt der Erhalt der Lizenz für ein Verkehrsflugzeug eine halbjährliche Prüfung mit sich. Neben einem Theorietest gehören zum Standardprogramm unter anderem ein Startabbruch, der Ausfall eines Triebwerks während des Startes mit nachfolgender sicherer Landung sowie Anflüge bei starkem Nebel mit verschiedenen Systemausfällen.
Damit das alles gefahrlos geschehen kann, wird heute größtenteils nicht mehr in einem richtigen Flugzeug trainiert, sondern im Flugsimulator: einem auf hydraulisch oder elektrisch betriebenen Beinen montierten, fensterlosen Kasten, der ein komplett originalgetreues Cockpit enthält und sich auf vielfältige Weise bewegen kann. Obwohl er dabei natürlich auf der Stelle bleibt.
|
||||||
|
||||||
Der Blick aus dem Fenster erhöht den Realismus ganz erheblich. In frühen Jahren herrschte, wegen der einfacheren Darstellung, im Simulator grundsätzlich Nacht, oder eine Kamera bewegte sich ferngesteuert über eine liebevoll gestaltete Modelllandschaft und zauberte so eine Aussicht auf die Schirme. Heutzutage generieren leistungsfähige Computer ein Bild, das dann auf eine halbrunde Leinwand projiziert wird. Das Zusammenspiel von Sicht und Bewegung des Simulators erzeugt einen sehr realistischen Eindruck: So spürt man die leichte Erschütterung jeder einzelnen der in die Startbahn eingelassenen Lampen, wenn man beschleunigend darüber hinweg rollt. Der Simulator ist ein faszinierendes Gerät. Man sitzt dort zwiegespalten: Einerseits im Bewusstsein dessen, dass es eben doch eine Prüfung ist, und man nicht nur bestehen, sondern möglichst zufrieden sein möchte. Andererseits ist es eine spannende Herausforderung, eine interessante Aufgabe, die immer wieder neue Einsichten mit sich bringt. Vom hinter den Pilotensitzen installierten Bedienpult des Flug- bzw. Simulatorlehrers hat man den vollen Überblick, kann unzählige Varianten von Fehlern und Störungen aufrufen, Wetter und andere Faktoren kontrollieren. Und beobachten, wie interagiert und gearbeitet wird. Neben der Bewältigung der technischen Probleme und der Einhaltung vorgesehener Verfahren liegt das Augenmerk im Training seit einigen Jahren vor allem auf der Zusammenarbeit der Besatzung, der Kommunikation und Entscheidungsfindung. Ein typisches Simulatorszenario, dessen Abhandlung kaum mehr als eine der vier Stunden dauert, sieht etwa so aus: Triebswerksausfall während des Startes, Ablassen von Treibstoff, Ausfall der Anlage zum Ablassen des Treibstoffs, Anflug mit erhöhtem Gewicht und einem Triebwerk, Landebahn blockiert, durchstarten, zweiter Versuch, im Endanflug Feuermeldung für das Hilfsaggregat, Landung, Evakuierung der Passagiere. Klingt übertrieben? Unwahrscheinlich? Das ist es. Sehr sogar, zum Glück. Aber die beste Art, sich auf das Jonglieren dreier Bälle vor Publikum vorzubereiten, ist, es auch mit vier Bällen zu beherrschen.
|
||||||
» Umsichten: Boeing 777 Cockpit 360° | ||||||